Taktisches Wählen zur Landtagswahl?

Der Politologe Dr. Daniel Schmidt hat gegenüber der Leipziger Internet-Zeitung die Frage beantworten, ob durch taktisches Wählen ein Wahlergebnis erzeugt werden kann, mit dem auch progressive und zukunftsorientierte Parteien in den Landtag einziehen können.

https://www.l-iz.de/politik/sachsen/2024/08/fragen-an-den-politologen-dr-daniel-schmidt-sachsenwahl-taktisch-wahlen-598604

„Im Allgemeinen geht man davon aus, dass Bürgerinnen und Bürger informiert zur Wahl schreiten und ihre Stimmen jener Partei bzw. dem Kandidaten in ihrem Wahlkreis geben, von denen sie glauben, dass sie ihre Interessen am ehesten vertreten.“ Leider stimmt schon die Grundannahme nicht, vielen Wähler:innen ist bereits der Unterschied zwischen Erst- und Zweitstimme nicht bekannt ( https://www.kas.de/de/kurzum/detail/-/content/denn-sie-wissen-nicht-was-sie-tun ). Hier wird´s lustig erklärt: https://www.bpb.de/mediathek/reihen/bundestagswahlen/599/erst-und-zweitstimme/

„Wer taktisch wählt, richtet seine Wahlentscheidung zusätzlich danach aus, welche Chancen eine bestimmte Partei etwa hat, überhaupt über die Fünfprozenthürde zu kommen. Oder ob die Möglichkeit besteht, dass die Kandidatin der bevorzugten Partei im eigenen Wahlkreis die meisten Stimmen bekommt – denn nur die Erststimmengewinner bekommen das Direktmandat.“

Am besten beraten ist man also, wenn man alle Programme liest, die Positionen und Aussagen aller Kandidat:innen dazu kennt und abschätzen kann, wie hoch die Chance ist, dass er oder sie die Positionen seiner oder ihrer Partei am Ende auch vertritt oder eben nicht.

Dann sollte man so halbwegs das Wahlverhalten der Mitbürger:innen kennen, um vorauszusehen, ob vielleicht die eigene favorisierte Partei zu denen gehört, die es sowieso nicht schaffen, und man die eigene Wahlentscheidung doch noch einmal kritisch hinterfragen muss. Schließlich soll die bedeutsame eigene Stimme ja nicht sinnlos abgegeben werden. Dazu müsste man das Wahlergebnis kennen,  das erfährt man aus Umfragen, mit denen man vor der Wahl tagtäglich belästigt wird. Sie haben die wichtige Rolle, die Selbstverleugnung der eigenen politischen Position als strategisch gut überlegt erscheinen zu lassen.

Natürlich sollte man auch abschätzen können, in welcher Regierungskoalition welche Partei ihre Positionen und Programmpunkte, wegen denen man sie gewählt hat, am ehesten fallen lässt, um mitregieren zu können. Dabei sollte man aber auch die Konsequenzen bedenken, was passiert, wenn man statt dessen eine andere Person oder Partei wählt. Vor allem ob man vielleicht am Ende bedauert, die eigene Partei nicht gewählt zu haben und statt dessen das Kleinere Übel gestärkt hat, weil man geglaubt hat, damit das Große Übel zu verhindern, und nun ansehen muss, wie das Kleinere Übel die Politik des Großen Übels einfach selbst umsetzt.

„Ich empfehle, dass man sich für jede der beiden Stimmen die Konsequenzen überlegt, Wahlprogramme anschaut sowie die Ziele der Kandidatinnen und Kandidaten aus der eigenen Nachbarschaft oder der eigenen Region kennenlernt. Und diese Ziele dann mit den eigenen Interessen abgleicht.  Danach kann man noch weitere Überlegungen anstellen: Wie viele Parteien sollen im Parlament vertreten sein? Welche Regierungsmehrheit wünsche ich mir? Und wer soll die wichtigen Aufgaben der Opposition übernehmen? Klar ist: Eine individuelle Stimme entscheidet nicht die Wahl, aber sie beeinflusst das Ergebnis – so oder so.“

Man sieht, taktisch wählen kann sinnvoll sein oder auch nicht. Man sollte am besten überhaupt erst einmal über die eigenen Interessen im Klaren sein. Daran dürfte die Wahlstrategie aber bereits scheitern.

Nachdem die Regierungskoalition die Wahlrechtsänderung dafür genutzt hat, die Macht der großen Parteien zu festigen, wäre statt taktischem Stochern im Nebel das hier vielleicht ein sinnvollerer Schritt gewesen: https://www.mehr-demokratie.de/mehr-bewegen/kampagnen/rettet-die-stimmen

Axl
Author: Axl

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